Theater ist einer der einzigen Erfahrungsräume, in denen sich Menschen ganz unmittelbar begegnen und gemeinsam etwas erleben. Jede Stückanordnung ist immer auch ein gesellschaftliches Experiment, das im geschützten Raum gespielt wird. Das ist es, was Theaterarbeit im Idealfall ausmacht: Dass es gelingt, Menschen miteinander zu verbinden und verschiedene Lebensmodelle durchzuspielen. Mich macht es glücklich, wenn Menschen gemeinsam eine künstlerische Vision auf die Bühne bringen und mit dem Publikum teilen. Warum Theater mir so wichtig ist und wie ich zum Theater gekommen bin, erfahren Sie hier.
Was macht idealtypische Theaterarbeit aus?
Das Theater ist ein Ort der Möglichkeiten. Wir haben heutzutage eine nie dagewesene Freiheit in der Wahl der Themen und der inszenatorischen Mittel, nachdem die Generationen vor uns alle Tabus gebrochen haben. Umso wichtiger ist es, dass wir diese Möglichkeiten klug nutzen. Wir müssen für anspruchsvolle Ästhetik und Plots ohne Kompromisse sorgen und auf eine heutige Lesbarkeit achten.
Meines Erachtens müssen wir es schaffen, dass jede*r Besucher*in aus jeder Altersgruppe und mit jeder Vorbildung ins Geschehen hereingezogen werden kann. Egal was es für ein Theaterabend ist, muss nach zwanzig Minuten der Moment gekommen sein, in dem der Zuschauer entdeckt: „Das hat was mit meinem Leben und mir zu tun.“
Musiktheater, Schauspiel und Tanz bieten unendliche Ausdrucksmöglichkeiten. Mir macht es große Freude, mit unseren Ensembles und dem ganzen Theaterteam auf der ganzen Klaviatur der künstlerischen Möglichkeiten spielen zu können.
Welche Rolle spielt das Theater im digitalen Zeitalter?
Natürlich können wir unsere Abende auch zu Hause verbringen und uns auf Netflix etwas anschauen. Netflix erzählt gute Geschichten. Aber im Theater können wir Geschichten gemeinsam erleben. Wie wichtig das ist, haben wir in der Corona-Krise gespürt. Uns hat dazu eine sehr schöne Zuschrift einer Krankenschwester erreicht, die ja nach heutiger Begrifflichkeit wesentlich systemrelevanter ist als wir. Sie hat geschrieben: „Ich kann meinen Beruf nicht ohne Euch machen. Musik, Schauspiel und Tanz geben mir die Kraft, meinen Alltag zu meistern.“
Das ist doch ein wunderschöner Beweis dafür, dass es gelingt ist, die Menschen im Theater zu verbinden. Wir spüren eine große Sehnsucht danach, uns in einem Raum zu begegnen und dort Lebensmodelle durchzuspielen. Das Theater wird so zu einem Ort der Möglichkeiten, die die Zuschauer*innen auf ihr Leben übertragen oder sich dagegen entscheiden können.
Welche Chancen des Theaters gibt es, ein junges Publikum zu erreichen?
Junge Menschen begeistert man entweder ganz oder gar nicht. Wenn Schüler*innen zu uns kommen, ist es wichtig, dass wir mit den Stücken, die wir auf der Bühne zeigen, die Lebenswelt der Jugendlichen treffen. Das ist der Anspruch unserer Sparte „Junges Land“. Und es ist schön, dass es uns inzwischen seit über zehn Jahren mit unserer „Faust“ Inszenierung gelingt, ein junges Publikum erfolgreich anzusprechen. Das hat insbesondere mit den Themen und Versuchungen zu tun, die die Jugendlichen erkennen: Alkohol, Party, Sex, Lebenssinn und -krise und ewige Jugend.
Seit 2009
Intendant des Salzburger Landestheaters
Ausführliche Biographie unter diesem Link
Das war an erster Stelle Gerard Mortier, der die Salzburger Festspiele auf sehr aufregende Art und Weise erneuert hat. Ich hatte das Glück, als sein Pressesprecher und persönlicher Referent mit ihm zu arbeiten. Mit ihm die Entwicklung zu gestalten, in der er als Intendant die Stadt und das Publikum herausgefordert und gleichzeitig beglückt hat, war faszinierend. Von ihm habe ich alles über die Führung eines so großen Kunstbetriebes gelernt.
Von Peter Stein habe ich das Handwerk eines Regisseurs als Geschichtenerzähler gelernt – als ich sein Assistent war und er Grillparzers „Libussa“ und „Simone Boccanegra“ in Salzburg inszenierte. Ich habe ihn für weitere Produktionen zum Maggio Musicale nach Florenz und an die Staatsoper in Wien begleitet.
Ein Höhepunkt war die Arbeit mit Claudio Abbado beim Festival Ferrara Musica. Dort durfte ich die erste Inszenierung einer Verdi Oper, die er nach seiner Zeit an der Scala in Italien dirigierte als Regisseur erarbeiten (einschließlich Live Übertragung auf RAI uno). Hinzu kam ein szenisches Projekt mit den Berliner Philharmonikern, das wir mit Bruno Ganz erarbeitet haben.
Wichtig war für mich auch die Station am Staatstheater Karlsruhe bei Pavel Fieber. Er war ein richtiger Allroundintendant. Als Schauspieler, Regisseur und künstlerischer Leiter hat er dieses Theater durch seine Expertise in allen drei Feldern geleitet und wurde für mich zum Vorbild. Es gibt ja reine Manager-Intendanten, und es gibt reine Künstler-Intendanten, er hat Beides vereint. Für mich hat es sich bewährt, ein Theater zu führen, indem ich mich nicht nur um den Kurs kümmere, sondern regelmäßig mit dem Ensemble und den Abteilungen kreativ arbeite. Gleichzeitig halte ich mich nicht für den wichtigsten Regisseur am Haus.
Heute ist es mir wichtig, dass es an dem Theater, das ich mit meinem Team führen darf, die Möglichkeit gibt, dass eine neue Generation ihre Theaterwerke und -werte entwickeln kann. So leiten Julia Mayr und Astrid Grossgasteiger, die bei uns angefangen haben, heute eigene Sparten an anderen Häusern. Und ich freue mich, dass junge Regisseur*innen wie Christina Piegger und Sarah Henker bemerkenswerte künstlerische Handschriften entwickeln.
Mein ungerader Weg zum Theater
Mein Leben dem Theater zu widmen, war keine ganz frühe Entscheidung. Ich habe nicht, wie Sie es vielleicht von einem Intendanten erwarten würden, Theaterwissenschaften studiert, sondern Rechtswissenschaften.
Dennoch habe ich mein Studium nicht nur zwischen Gesetzestexten verbracht. Ich gründete damals sowohl eine Schauspieltheatertruppe, als auch eine Musiktheaterkompanie, mit denen wir regelmäßig im Passauer Opernhaus und an anderen Orten aufgetreten sind.
Interessanterweise stellte ich fest, dass meine Noten besser sind, wenn ich Theater mache. Der Theaterbetrieb war offenbar etwas, das eine Konzentration in mein Leben bringt. Die Leidenschaft fürs Theater hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.
Eintritt in die Theaterwelt
Es gab Vorteile und Nachteile durch meinen späten Eintritt in die Theaterwelt. Für meine Position als Intendant ist das juristische Studium heute jeden Tag ein Geschenk, weil so viele Verträge über meinen Schreibtisch gehen.
Mit dem juristischen Abschluss in der Tasche ging ich nach New York, um Schauspiel und Regie zu lernen und habe in konzentrierter Zeit sehr viel in mich aufgesogen.
Teil meiner Ausbildung in den USA war eine Station am American Repertory Theater, das zur Harvard University gehört. Dort wird einerseits mit einem sehr hohen künstlerischen Anspruch, andererseits mit einem Bewusstsein für das Mindset des Publikums gearbeitet. Das hat meine Theaterauffassung sehr geprägt.
Ausführliche Biographie unter diesem Link
„Fußball, Bollywood und viel Musik: Diese Kombination sorgt im Salzburger Landestheater für gute Laune. Das Musical „Kick it like Beckham“ wurde (…) vom Publikum groß gefeiert.
Die schwungvolle Inszenierung von Landestheaterintendant Carl Philip von Maldeghem bringt ernste Themen mit viel Humor und Leichtigkeit auf die Bühne.“
„Von Maldeghem inszeniert ein dichtes Porträt des Prometheus. Von Christoph Wieschke (…) in der Titelpartie wird einiges abverlangt, wenn er in schwindelnder Höhe an steiler Wand angekettet seine moralische Überzeugung verteidigt: eine schauspielerische Glanzleistung. “
„Goethes „Faust“ ist ein Hit. Ein Stück voll Bos- und Weisheit, jeder Satz ein Hieb gegen Gott und die Welt. Der „Faust“ am Landestheater ist ein Musterbeispiel für den Umgang mit dem „Klassiker“: Kurzweilig, ja beschwingt, im Tempo. „Modern“ im Ambiente mit Labor und Laptop. Dabei ganz werkgetreu am Text, mit ein paar launigen Frechheiten von Heute.“
Bildnachweise: „Ilias“, Anastasia Bertinshaw, Yevgeni Kapitula // Carl Philip von Maldeghem bei Konzeptionsprobe // „Der Prozess“, George Humphreys